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Fall 9: Auflösung

Lerninhalte

  • Akuter ischämischer Schlaganfall
  • Ischämiefrühzeichen in der nativen CCT
  • Therapie des akuten ischämischen Schlaganfalls
    • Mechanische Thrombektomie

CT Schädel nativ

Als erstes ist es bei der Befundung wichtig, sich zu überlegen auf welche Seite man zuerst schaut! Die Anamnese ist dabei entscheidend – bei einer rechtsseitigen Symptomatik (wie in diesem Fall die Hemiparese / Halbseitenlähmung) sollte man zuerst im Bild auf die linke Seite schauen!

In der ersten abgebildeten Schicht erkennt man ein hyperdenses Gefäßzeichen, beginnend in der linken distalen A. carotis interna mit Fortführung entlang der linken A. cerebri media (die Pfeile markieren den Anfang und das Ende des hyperdensen Gefäßzeichens). Das hyperdense Gefäßzeichen entspricht einem blutreichen (roten) Thrombus in dem entsprechenden okkludierten Gefäßabschnitt. Zusätzlich zeigt sich eine sehr ausgedehnte hypodense Infarktdemarkation im linken Mediastromgebiet unter Einschluss der Zentralregion (Kreis). Zusätzlich fehlt die sonst sichtbare Grau-Weiß-Differenzierung und die äußeren Liquorräume sind unscharf abgrenzbar (Pfeile). Vergleiche hierzu auf der gleichen Schicht die gesunde Gegenseite. Die Asymmetrie ist der Freund eines jeden Radiologen / jeder Radiologin!

CT-Angiographie und CT-Perfusion

In der CT-A erkennt man, dass auf der linken Seite die Kontrastierung / die Gefäße fehlen. Genauer gesagt, liegt hier eine fehlende Kontrastierung / ein Verschluss der linken distalen A. carotis interna und der linken A. cerebri media vor. In der CT-Perfusion werden verschiedene Perfusionskarten akquiriert. Die Tmax zeigt eine zeitliche Perfusionsverzögerung an (die Skala 0 bis 12 wird in Sekunden angegeben). Innerhalb eines Hirnareals, welches ischämisch geschädigt ist, braucht das Kontrastmittel eine längere Zeit um an- und abzufluten. Demnach liegt eine Perfusionsverzögerung / ein Perfusionsdefizit vor. In diesem Fall sieht man eine deutliche (12 Sekunden) Perfusionsverzögerung im linken Mediastromgebiet (weißer Kreis).

Akuter ischämischer Schlaganfall:

Bei der Patientin lag ein ischämischer Schlaganfall bei Verschluss der abgangsnahen linken A. carotis interna und A. cerebri media vor. Bei bereits ausgedehnter Infarktdemarkierung in der nativen CCT (ASPECTS 2) mit Korrelat in der CT-Perfusion erfolgte weder eine mechanische Thrombektomie noch eine Lysetherapie.

Übergeordnet unterscheidet man den ischämischen Schlaganfall (ca. 80-85%) und den hämorrhagischen Schlaganfall (ca. 15-20%). Der ischämische Schlaganfall ist bedingt durch eine akute zerebrale Durchblutungsstörung im arteriellen (und deutlich seltener im venösen) Stromgebiet. Der hämorrhagische Schlaganfall umfasst die intrazerebrale Blutung (ca. 10-15%) sowie die Subarachnoidalblutung (ca. 5%). Beide Formen lassen sich anhand anamnestischer Angaben oder klinischer Befunde nicht differenzieren.

In der klinischen Routine wird der NIHSS (Nationale Institutes of Health Stroke Scale) zur Beurteilung des neurologischen Defizits von Schlaganfallpatient*innen bestimmt. Der NIHSS wird zum Zeitpunkt der Einweisung (NIHSS admission) und im Verlauf nach Rekanalisationstherapie erhoben. Die Punkteskala reicht von 0-42; je höher der Wert, desto ausgeprägter die neurologischen Defizite. Ab einem NIHSS > 6 liegt bereits eine deutliche funktionelle Beeinträchtigung vor.     

Radiologische Vorgehen bei klinischem Verdacht auf einen akuten Schlaganfall:

  1. Zunächst erfolgt eine native CCT, um den hämorrhagischen Schlaganfall (die intrakranielle Blutung) auszuschließen. Zusätzlich lassen sich auch bereits Ischämiefrühzeichen nachweisen (siehe unten).
  2. Je nach Schweregrad der Klinik und Zeitfenster wird eine erweiterte Bildgebung angeschlossen. Diese beinhaltet eine CT-Angiographie der Kopf-Hals-Gefäße sowie eine CT-Perfusion.
    • Die CT-Angiographie wird durchgeführt, um einen potenziell vorliegenden Gefäßverschluss nachzuweisen.
    • Die CT-Perfusion dient der Identifikation des Infarktkerns und der potenziell vorliegenden Penumbra. Sie wird bei Patient*innen im Zeitfenster jenseits von 4,5 Stunden nach Symptombeginn und unklarem Zeitfenster (wake up stroke) durchgeführt, wenn nach klinischen Kriterien eine Rekanalisationsindikation besteht.

Daneben wird bei bestimmten Patientengruppen eine MRT in der Akutsituation durchgeführt.

Ischämiefrühzeichen in der nativen CCT:

Die vier klassischen Zeichen eines akuten Infarkts in der nativen CCT sind:

  • Hyperdenses Gefäßzeichen
  • Erschwerte Differenzierbarkeit von grauer und weißer Substanz in dem ischämischen Areal
  • Dichteminderung (umschriebene Hypodensität) des ischämischen Areals
  • Fokale Schwellung mit lokaler Verstreichung der Sulci

CCT eines 75-jährigen Patienten mit seit 3 Stunden bestehendem Mediasyndrom rechts

a: Hyperdenses Gefäßzeichen im Verlauf der A. cerebri media links perisylvisch (Kreis; „MCA dot sign“). In der CT-A war ein Verschluss entlang der linken A. cerebri media (M2-Verschluss) nachweisbar.

b: Fehlende Grau-Weiß-Differenzierung sowie flächige Hypodensitäten des Marklagers links frontoparietal, welche bis zum Kortex reichen (Kreis). Der Befund entspricht einem akuten Mediateilinfarkt. Begleitende lokale Schwellung mit verstrichenen Sulci (orangene Pfeile). Vergleiche hierzu die gesunde Gegenseite mit scharf abgrenzbarem Grau-Weiß-Kontrast und scharf abgrenzbaren Sulci (weiße Pfeile).

Die Ausdehnung des akuten Mediainfarkts in der nativen CCT wird mittels des ASPECTS (Alberta Stroke Program Early CT-Score) angegeben und sollte im Befund angegeben werden. Die Differenzierung zwischen akuter Ischämie und akutem Infarkt ist wichtig und kann therapeutische Konsequenzen nach sich ziehen:

  • Die akute Ischämie ist potenziell reversibel und entspricht der Penumbra (des noch zu rettenden Gewebes). 
  • Der akute Infarkt ist irreversibel (bereits untergegangenes Hirnparenchym) und ist in der nativen CCT als hypodense Infarktdemarkation erkennbar.

Hier siehst Du die Morphologie eines Territorialinfarkts im zeitlichen Verlauf:

CCT eines 60-jährigen Patienten mit akut aufgetretener Hemiparese links und Verschluss der rechten A . cerebri media

a: CCT 3 Stunden nach Symptombeginn; keine Ischämiefrühzeichen nachweisbar.

b: CCT 24 Stunden nach Symptombeginn (und nach frustraner Thrombektomie); flächige hypodense Veränderungen rechts frontotemporal unter Einschluss der Stammganglien. Geringe lokale Schwellung mit geringer Kompression des rechten Seitenventrikels.

c: CCT nach zwei Tagen und erfolgter Hemikraniektomie; im Verlauf zunehmende Schwellung des Infarktareals mit zunehmender Demarkierung.

d: CCT nach einem Monat; zunehmende postischämische Defektbildung mit multiplen kortikalen Einblutungen. Zunehmende Erweiterung des Ventrikelsystems. Nebenbefundlich: ausgedehntes Liquorkissen subgaleal.

Therapie des akuten ischämischen Schlaganfalls:

Standardtherapie bei Schlaganfallpatient*innen mit Symptombeginn unter 4,5 Stunden mit nachgewiesenem zerebralem Großgefäßverschluss ist ein kombiniertes Vorgehen aus intravenöser Thrombolyse mittels Alteplase und der endovaskulären Therapie mittels mechanischer Thrombektomie.

Die intravenöse Thrombolyse ist innerhalb von 4,5 Stunden nach Symptombeginn indiziert sofern keine Kontraindikationen vorliegen. Das Zeitfenster kann je nach Befund in der erweiterten Bildgebung (MRT oder CT-Perfusion) auf 9 Stunden ausgedehnt werden. 

Typische Kontraindikationen der intravenösen Thrombolyse sind unter anderem:

  • Akute intrakranielle Blutung
  • Operationen oder Trauma innerhalb der letzten zwei Wochen
  • Erkrankungen mit erhöhtem Blutungsrisiko (Malignome, Leberzirrhose)
  • INR > 1,7 unter Einnahme von Vitamin-K-Antagonisten
  • Einnahme von NOAK im Zielserumspiegel

Die mechanische Thrombektomie wurde im Jahr 2015 als Therapie des akuten ischämischen Schlaganfalls implementiert, nachdem fünf multizentrische, randomisierte Studien (‚Big 5“) die Überlegenheit der interventionellen Behandlung gegenüber der damaligen Standardtherapie (alleinige intravenöse Thrombolyse) nachweisen konnten. Seitdem hat sich die Indikationsstellung der mechanischen Thrombektomie stetig erweitert. Das bestehende Zeitfenster von 4,5 Stunden nach Symptombeginn wurde bei Patient*innen, bei denen ein Mismatch zwischen klinischer Betroffenheit und Infarktvolumen bzw. zwischen Penumbra und Infarktkern mittels erweiterter Schnittbildbebung nachgewiesen werden konnte, auf 16 bzw. 24 Stunden erweitert. Aktuelle Studien deuten darauf hin, dass auch Patient*innen mit bereits ausgedehntem Infarkt (ASPECTS < 6) oder und bei Patient*innen mit distalen Gefäßverschlüssen (M2/M3-Segmente der A. cerebri media, A2/A3 Segmente der A. cerebri anterior, P2/P3-Segmente der A. cerebri posterior) von einer mechanischen Thrombektomie profitieren. Zukünftig scheint es, dass es keine wesentliche Gründe gibt, eine mechanische Thrombektomie nicht durchzuführen!

Merke:

  • Die intravenöse Thrombolyse wird bis zu einem Zeitfenster von 9 Stunden, die mechanische Thrombektomie bis zu einem Zeitfenster von 24 Stunden nach Symptombeginn bei vorliegendem Mismatch zwischen Infarktkern und Penumbra empfohlen.
  • Die Grenzen von 9 bzw. 24 Stunden nach Symptombeginn sind mittels Studien belegt – jedoch können diese auch nach eigenem Ermessen erweitert werden (siehe dazu: Leitlinie Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls).

Mechanische Thrombektomie:

Prozedur bei Verschluss der A. cerebri media:

  • Zuerst wird über die A. femoralis communis eine Schleuse gelegt und ein großlumiger Führungskatheter in die A. carotis interna gelegt. Anschließend werden kleinere Katheter (Aspirationskatheter oder Mikrokatheter mit Mikrodraht) an den Verschlussort gebracht und ein Thrombektomie-Manöver durchgeführt.
  • Dabei gibt es 3 verschiedene Techniken der mechanischen Thrombektomie:
    • Thrombusaspiration
    • Thrombusextraktion mittels Stent-Retriever
    • kombiniertes Verfahren mit Aspiration und Stent-Retriever

Mechanische Thrombektomie eines 92-jährigen Patienten mit akutem Verschluss der proximalen A. cerebri media links (M1-Segment)

a (frontal) und b (seitlich): Angiogramme der linken A. carotis interna mit Kontrastmittelabbruch im proximalen M1-Segment (Pfeil).

c (frontal) und d (seitlich): Angiogramme der linken A. carotis interna nach einem kombiniertem Thromektomie-Manöver mit Aspiration und Stent-Retriever. Das Ergebnis ist eine vollständige Rekanalisation der linken A. cerebri media (mTICI 3).

e: gespeicherte Durchleuchtung nach Positionierung des Stent-Retrievers im M1-Segment bzw. im Thrombus (schwarze Pfeile zeigen die Röntgendichten Marker des Stent-Retrievers) und des Aspirationskatheters direkt vor den Thrombus und am Stent-Retriever (orangener Pfeil). In der proximalen A. carotis interna ist der Führungskatheter lokalisiert (8F Führungskatheter, weißer Pfeil). Unter Aspiration über Vakuum Spritzen (proximal am Führungskatheter und distal am Aspirationskatheter) wird der Stent-Retriever und der Aspirationskatheter als Einheit über den Führungskatheter zurückgezogen und entfernt.


Weiterführende Literatur:

  • Leitlinie: Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls der Deutschen Gesellschaft für Neurologie e.V. und der Deutschen Schlaganfallgesellschaft (gültig bis Mai 2024)
  • Grunert D et al. 2021: Ischämischer Schlaganfall: Kernpunkte der Leitlinie; doi: 10.3238/PersNeuro.2021.07.12.04
  • Bendszus M et al. 2023: Endovascular thrombectomy for acute ischaemic stroke with established large infarct: multicentre, open-label, randomised trial; doi: 10.1016/S0140-6736(23)02032-9