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Fall 8: Auflösung

Lerninhalte

  • Mediale Schenkelhalsfraktur

Röntgen-Aufnahme des Beckens und der linken Hüfte (falsche Seitenangaben im Röntgenbild!)

Die Patientin zog sich eine mediale Schenkelhalsfraktur auf der linken Seite zu (orangener Kreis in der Becken-Übersicht). Mit abgebildet ist bei klinisch bereits hochgradigem Verdacht auf eine Fraktur eine Referenzkugel in der Becken-Übersicht. Diese dient zur Vermessung der Prothese, die für die operative Versorgung benötigt wird.

Die mediale Schenkelhalsfraktur ist die am häufigsten auftretende Fraktur des Oberschenkelknochens. Es handelt sich dabei um einen Bruch des Schenkelhalses nahe oder direkt am Femurkopf; die mediale Schenkelhalsfraktur liegt im Gegensatz zur lateralen Schenkelhalsfraktur innerhalb der Gelenkkapsel (intrakapsulär).

Neben der klassischen AO-Klassifikation der proximalen Femurfrakturen, gibt es zwei Klassifikationen der Oberschenkelhalsfrakturen, die man kennen sollte:

1. Pauwels-Klassifikation:

Bei der Pauwels-Klassifikation erfolgt die Einteilung nach dem Winkel der Hauptfrakturlinie zur Horizontalen. Je größer dieser Winkel ist, desto höher ist das Risiko einer Dislokation und desto schlechter ist die Heilungstendenz einer Fraktur.

In diesem Fall beträgt der Winkel der Hauptfrakturlinie (orange) zur Horizontalen (weiß) > 50° und entspricht damit einer Fraktur, die ein hohes Risiko für eine Dislokation birgt mit schlechter Heilungstendenz.

  • Pauwels I:
    • Winkel < 30°
    • Abduktionsfraktur in Valgusfehlstellung
    • günstige Heilungstendenz
  • Pauwels II:
    • Winkel 30–50°
    • Adduktionsfraktur in Varusfehlstellung
    • abnehmende Heilungstendenz
  • Pauwels III:
    • Winkel > 50°
    • Abscherfraktur
    • schlechte Heilungstendenz

2. Garden-Klassifikation:

Bei der Garden-Klassifikation erfolgt die Einteilung nach dem Risiko der Perfusionsstörung des Femurkopfes. Je kleiner die Kontaktfläche der Frakturfragmente und je mehr die Fraktur disloziert ist, desto größer ist das Risiko einer Perfusionsstörung und damit resultierender Femurkopfnekrose.

Die oben gezeigte Fraktur entspricht nach der Garden-Klassifikation Typ III, da eine vollständige Fraktur mit Dislokation erkennbar ist. Medialseits scheinen die Frakturfragmente noch Kontakt zu haben.

  • Garden I:
    • Inkomplette Fraktur
    • Keine Dislokation
    • Perfusion intakt
  • Garden II:
    • Komplette Fraktur
    • Keine Dislokation
    • Perfusion intakt
  • Garden III:
    • Komplette Fraktur
    • Teilweise Dislokation (mediale Kontaktfläche erhalten)
    • Perfusionsstörung
  • Garden IV:
    • Komplette Fraktur
    • Komplette Dislokation (kein Kontakt der Frakturfragmente)
    • ungünstige Perfusionsprognose

Der Oberschenkelkopf wird hauptsächlich durch ein um bzw. in der Gelenkkapsel liegendes arterielles Netz versorgt (A. circumflexa medialis und lateralis über die A. femoralis profunda). Bei einer Fraktur entlang des Oberschenkelhalses kann es zu einer Verletzung dieses Gefäßnetzes kommen mit Gefährdung der Versorgung des Caput femoris. Durch die Mangelversorgung kann es schnell zu einer Femurkopfnekrose kommen, sodass die Indikation zur frühzeitigen, meist chirurgischen Intervention mittels Totalendoprothese bzw. Hemiendoprothese gegeben ist.

Die im Ligamentum capitis femoris gelegene Arterie (A. capitis femoris) spielt beim Erwachsenen bzgl. der Blutversorgung für das Caput femoris nur eine untergeordnete Rolle.

Entnommen aus Mandell JC et al. 2017: Traumatic Hip Dislocation: What the Orthopedic Surgeon Wants to Know; doi:10.1148/rg.2017170012

Die Zeichnung zeigt die Gefäßversorgung des Oberschenkelkopfes. Der Hauptbeitrag zur Blutversorgung des Oberschenkelkopfes ist die A. circumflexa medialis (medial femoral circumflex artery), wobei der extrasynoviale Anteil am anfälligsten für traumatische Verletzungen ist.


Weiterführende Literatur:

  • Fischer H et al. 2021: Management of proximal femur fractures in the elderly: current concepts and treatment options; doi.org/10.1186/s40001-021-00556-0
  • Sachse D et al. 2014: Die Schenkelhalsfraktur bei jüngeren Patienten (15–50 Jahre). Klinisch-radiografisches Outcome 4 Jahre nach operativer Therapie; doi:10.1055/s-0033-1360243
  • Oka M et al. 2004: Prevalence and Patterns of Occult Hip Fractures and Mimics Revealed by MRI; doi:10.2214/ajr.182.2.1820283