Fall 22: Auflösung
Lerninhalte
- Bandscheibenvorfall
- Kontraindikationen MRT
MRT LWS nativ
Segment LWK 4/5 mit Hauptbefund: hier zeigt sich eine nach kranial dislozierte Bandscheibenextrusion (orangene Pfeile) mit deutlicher Kompression der Kaudafasern insbesondere der L5 Wurzeln beidseits im Seitenrecessus (weißer Pfeil markiert die komprimierten Kaudafasern). Die etwas höher austretenden Nervenwurzeln L4 beidseits (weiße Kreise) werden nicht affektiert. Falls Du hier die Begriffe “Bandscheibenprolaps” oder “Bandscheibenvorfall” verwendet hast, ist das für die meisten Prüfer wahrscheinlich auch in Ordnung. Der Begriff “Prolaps” ist veraltet (siehe unten) und der Begriff “Vorfall” ist zu ungenau.
Neben dem Hauptbefund, welcher ursächlich für die Symptomatik ist, finden sich weitere Pathologien:
Segment LWK 3/4: hier liegt eine mediane Bandscheibenprotrusion vor (weiße Pfeile; die heraustretende Bandscheibe ist T2w hypointens / schwarz) und zusätzlich sieht man auch den Einriss des Anulus Fibrosus (orangene Pfeile). Die Kaudafasern kann man einzeln noch gut abgrenzen (schwarzer Pfeil). Beachte das Signal der darüber liegenden Bandscheiben – diese weisen ein regelrechtes (helles) Signal auf (weißer Kreis), während degenerierte Bandscheiben an Flüssigkeit verlieren und daher T2w hypointens / dunkler erscheinen (so wie in den Segmenten LWK 3- SWK 1).
Segment LWK 5/SWK 1: hier zeigt sich ein rechts betontes breitbasiges Bandscheibenbulging (orangene Pfeile). Zusätzlich findet sich in gleicher Höhe eine deutliche Osteochondrosis intervertebralis, geringer ausgeprägt auch im darüber liegenden Segment LWK 4/5 (weiße Pfeile). Im radiologischen Befund würde man ebenfalls die deutliche Atrophie der autochthonen Rückenmuskulatur erwähnen (weiße Kreise). Hier sieht man eigentlich nur Fett (T2w hyperintens) und wenig Muskel (das sind die wenigen T2w hypointensen Strukturen). Idealerweise sollte die Muskulatur direkt bis an den Knochen grenzen (für alle Fleischliebhaber: genauso wie bei einem guten Steak). Das bedeutet konkret, dass man dieser Patientin empfehlen sollte, im Verlauf ihre Rückenmuskulatur zu kräftigen (Krafttraining! “Rückenschule” auch genannt), damit Sie den für ihr Alter (31 Jahre) deutlichen Degenerationen besser entgegen wirken kann.
Bandscheibenvorfall:
Die Terminologie des Bandscheibenvorfalls wird immer noch sehr uneinheitlich in der radiologischen Praxis gehandhabt. Die früher verwendete Terminologie mit Differenzierung zwischen Bandscheibenprotrusion und Bandscheibenprolaps wird zunehmend durch die amerikanisch verwendeten Begriffe abgelöst.
In diesem Fall kommen alle 3 zu differenzierenden Begriffe des Bandscheibenvorfalls vor:
- Bandscheibenbulging (breitbasige Bandscheibenvorwölbung; disc bulge): Es besteht eine relativ geringe Vorwölbung (meist < 3 mm), die aber mehr als 50 % des Umfangs der Bandscheibe betrifft.
- Bandscheibenprotrusion (protruded disc herniation): Fokale Herniation von Bandscheibengewebe; bei der Protrusion ist der Durchmesser der Hernie kleiner als der Durchmesser an der Basis.
- Bandscheibenextrusion (extruded disc herniation): Fokale Herniation von Bandscheibengewebe; bei der Extrusion ist der Durchmesser des sich vorwölbenden Materials im Zentrum größer als an der Bruchpforte.
Das aktuell geläufige “Bandscheibenbulging” wurde früher als “Bandscheibenprotrusion” bezeichnet und die aktuellen Begriffe “Bandscheibenprotrusion” und “Bandscheibenextrusion” wurden früher unter “Bandscheibenprolaps” zusammengefasst. Die Nomenklatur und weitere Bildbeispiele kannst Du Dir genauer unter Radiology Assistent: Lumbar Disc Nomenclature 2.0 anschauen.
Kontraindikationen MRT:
- Absolute Kontraindikationen bestehen bei Patient*innen mit ferromagnetischen Implantaten (z.B. Metallsplitter) und nicht-MR-tauglichen implantierten elektronischen Geräten (z.B. Rückenmarkstimulatoren, Insulinpumpen, Cochlea-Implantate).
- Früher als absolut kontraindiziert geltende, nicht-MR-taugliche elektronische Geräte werden heutzutage als relative Kontraindikationen betrachtet (z.B. Herzschrittmacher, Defibrillator).
- Bei Patient*innen mit Platzangst besteht eine relative Kontraindikation.
Wenn eine MRT bei V.a. Bandscheibenvorfall nicht möglich ist, kann als Alternative eine CT-Untersuchung erfolgen. Hierbei sind der Bildkontrast und die Differenzierung zwischen Bandscheibenvorfall und normalen Spinalkanal nicht optimal – ein großer Vorfall (wie in diesem Fall) kann jedoch in der Regel ausreichend abgegrenzt werden; gleiches gilt für die multisegmentale Spinalkanalstenose. In bestimmten Fällen, z.B. wenn langstreckige Osteosynthesen entlang der Wirbelsäule einliegen (macht auch im 1,5 Tesla MRT viele Artefakte!), wird ebenfalls meist eine CT-Untersuchung ergänzt, ggf. mit intrathekalem (in den Liquorraum gegebenen) Kontrastmittel. Diese spezielle Untersuchung wird Myelographie (= die Darstellung (graphie) des Rückenmarks (myelo)) genannt.
Myelographie und Post-Myelo CT bei einem 60-jährigen Patienten mit V.a. Spinalkanalstenose (und Kontraindikation für die MRT)
Hierbei wird unterhalb des Conus medullaris eine Myelographienadel vorgeführt (1. Bild; hier in Höhe LWK 3/4) bis spontan klarer Liquor zurückläuft. Anschließend wird intrathekales Kontrastmittel (Solutrast) in den lumbalen Subarachnoidalraum appliziert. Der Patient wird in Kopftieflage gebracht (ca. 10 Minuten) und anschließend ein Post-Myelo CT durchgeführt. Hierbei sieht man eine regelrechte Verteilung des intrathekalen Kontrastmittels (2. Bild). Eine Spinalkanalstenose konnte ausgeschlossen werden.
Weiterführende Literatur:
- Radiology Assistent: Lumbar Disc Nomenclature 2.0
- Pones JB et al 2021: Nomenklatur der (lumbalen) Bandscheiben; doi: 10.1055/a-1361-3413